//Modes of Trespassing
Die historische Situation, mit der ArchitekturproduzentInnen aktuell konfrontiert sind, zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie sich nicht mehr auf eine homogene Art und Weise wahrnehmen lässt. Auf die Vielfältigkeit und Komplexität der architektonischen Aufgabenstellungen reagiert der Architekturmarkt mit einer Diversifizierung der Dienstleistungsangebote, mit eher kurzlebigen Trends und der Konstruktion von "Brands". Aktuelle architektonische Ansätze können kaum mehr übergeordneten stilistischen, theoretischen oder gar ideologischen Strömungen zugeordnet werden. Die einzelnen Ansätze können nur noch partikulare Relevanzen und nicht mehr die Erfindung utopischer Entitäten beanspruchen. Sie bilden in ihrer Vielzahl heterogener, fragmentarischer Ansätze ein komplex vernetztes ProduzentInnenfeld, welches ungeeignet erscheint, Architektur als "ganzheitliche", anderen Disziplinen gegenüber abgegrenzte Praxis aufzufassen.
Die aktuelle 'Architekturpraxis' besteht aus unzähligen kleinen, selbstständigen, operativen Einheiten, die in sehr dichten Netzwerken, in wechselhaften Verbunden, zum Teil nomadisch, vielfach transdisziplinär agieren. Multiple Autorenschaft, das gemeinsame Verfügen über technisches Know-How und Infrastruktur, Up-dates via kollektiver Netzwerke, der Austausch von disziplinenübergreifenden Kenntnissen und Auftragsbereichen werden begleitet von hoher individueller, an Idealismus grenzender Motivation und einer fast existenzbedrohenden Bereitschaft zur Selbstausbeutung. Identitätsstiftende Individualisierungstendenzen werden beispielhaft mit unumgänglichen kollektiven Praktiken verknüpft.
Die neuen operativen Einheiten implizieren auch neue inhaltliche Orientierungen und Fragestellungen:
Welche Strategien können jene ArchitektInnen/Teams, die Architektur weiterhin als kulturelle, soziale und politische Praxis begreifen, in dieser heterogenen Situation verfolgen? Wie kann der hohe theoretische und methodische Spezialisierungsgrad der individuellen Ausdifferenzierungen mit anderen Ansätzen und mit gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen sinnvoll vermittelt werden? Welche Überschreitungen tradierter architektonischer Aufgabenstellungen, konventioneller Wahrnehmungsmuster, sozialer Regulierungen, technologischer Beschränkungen und ökonomischer Pragmatiken werden als notwendig erachtet? Wie werden Verfahren der Raumproduktion und -wahrnehmung erweitert? Wie wird der Raum als sozialer, als medialer, als privater oder kollektiver, als prozesshafter, als integrativer, als konfliktfähiger Raum gedacht, modelliert?
'Trespassing' wird in diesem Kontext nicht vorrangig als individueller, überschreitender Gestus seitens der ArchitektInnen aufgefasst. Über die kritische Lektüre und Vernetzung unterschiedlicher architektonischer Ansätze hinaus behandelt 'Trespassing' eine sich kontinuierlich abzeichnende Tendenz, die auf Verschiebungen, Erweiterungen, Neudefinitionen des Architekturfeldes und seiner Praktiken, Anforderungsprofile, Aufgabenstellungen verweist.
Trespassing - Konturen räumlichen Handelns nähert sich diesen Fragestellungen, indem es ein ProduzentInnenforum etabliert und Potenziale heutiger Produktionsbedingungen untersucht. Bereits im Vorfeld der Ausstellung wurden Strategien, Vorgangsweisen und Inhalte in Ateliergesprächen reflektiert und auf einem gemeinsamen Workshop mit TheoretikerInnen aus verschiedenen Fachbereichen diskutiert. Dieses mehrstufige Recherche- und Feedbackverfahren legt die Basis für die gemeinsam entwickelte Ausstellung in der Secession.
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